Vor einigen Tagen verkündete die australische Regierung, dass sie den Vertrag mit Frankreich zur Lieferung von zwölf dieselelektrischen U-Booten des Typs Barracuda kündigen wird. Zugleich gab sie bekannt, künftig zusammen mit den USA und Großbritannien eine neue Sicherheitsallianz unter dem Namen AUKUS zu gründen. Im Rahmen dieser Allianz soll es eine enge Zusammenarbeit der drei englischsprachigen Staaten im militärischen und technologischen Bereich geben. Das erste gemeinsame Projekt innerhalb der Allianz ist die Beschaffung von acht amerikanischen atomar angetriebenen Jagd-U-Booten für die australische Marine.
Die staatliche französische Naval-Group verlor damit einen Auftrag, der in Frankreich als „Vertrag des Jahrhunderts“ gefeiert wurde. Das Volumen betrug 2016 bei Vertragsunterzeichnung insgesamt 35 Mrd. Euro, stieg aber aufgrund von Kostenüberschreitungen auf zuletzt 56 Mrd. Euro. Nur der kleinere Teil dieses Auftragsvolumens sollte allerdings in Frankreich erbracht werden. Die Naval-Group hatte sich verpflichtet, dass ein Großteil der Schiffsbauarbeiten in Australien erfolgen sollte. Die Waffensysteme sollten zudem durch das amerikanische Rüstungsunternehmen Lockheed-Martin geliefert werden. Wirtschaftlich hat Frankreich damit nicht viel verloren, zumal die Naval-Group mit Aufträgen gut ausgelastet ist – von der französischen Marine hat sie derzeit Bestellungen über neun atomar betriebene U-Boote.
Dass Frankreichs Präsident Macron die Situation dennoch eskalieren ließ und die französischen Botschafter aus Canberra und Washington zurück nach Paris beorderte – in diplomatischen Kreisen ein Zeichen des größtmöglichen Protestes – resultiert einerseits aus der Unfähigkeit der Franzosen, Niederlagen zu akzeptieren, andererseits aus der mit der neuen Allianz verbundenen Nichtachtung Frankreichs als pazifischer Macht. Denn als letztere sehen sich die Franzosen wegen ihrer Überseegebiete in Neukaledonien. Ihnen muß nun klar sein, dass Frankreich künftig nur noch eine zweitrangige Macht innerhalb des Westens ist.
Neuordnung des globalen US-Imperiums
Die Gründung der AUKUS-Allianz zwischen den USA, Großbritannien und Australien ist neben der Quad-Allianz (USA, Indien, Japan und Australien) in größerer Perspektive ein Projekt zur Neuordnung des globalen US-Imperiums. Der Fokus der neuen US-Strategie liegt auf der Eindämmung Chinas. Während das Quad-Bündnis zu einer Art indo-pazifischer NATO ausgebaut werden soll, bildet die AUKUS-Allianz den neuen inneren Kern des US-Imperiums. Dazu sollen Großbritannien und Australien Zugang zu geheimer US-Technologie in den Bereichen Cyber, Künstlicher Intelligenz und Quantentechnologie erhalten.
Der U-Boot-Auftrag ist gewissermaßen Australiens Eintrittsticket in das neue Bündnis. Mit dem Kauf der amerikanischen Technologie wird das Land weltweit zum einzigen Besitzer von atomar angetriebenen U-Booten, ohne selbst Atomwaffen zu besitzen. Es wird daher mindestens zehn Jahre dauern, bis Australien in der Lage ist, selbständig Atom-U-Boote zu bauen. Um die zeitliche Lücke zu schließen kann das Land aber auch Boote aus den USA oder Großbritannien kaufen. Aus amerikanischer Sicht soll Australien durch die AUKUS-Allianz zu einem Stützpunkt werden, der in seiner Infrastruktur dem auf Hawaii in nichts nachsteht, jedoch weitaus dichter an China, der wichtigen Straße von Malakka und dem Indischen Ozean gelegen ist.
Es ist davon auszugehen, dass die Zusammenarbeit der englischsprachigen Anglo-Staaten in den nächsten Jahren weiter zunehmen wird. Nachdem Australien lange versucht hat, Äquidistanz zwischen China und den USA zu halten, hat es sich nun entschieden, einen festen Platz an der Seite der USA anzunehmen. Damit zwangsläufig verbunden ist eine Abwertung der 2016 geschlossenen australisch-französischen Sicherheitspartnerschaft, die nun nur noch auf dem Papier zu existieren scheint.
Im neuen globalen US-Imperium haben die europäischen NATO-Staaten – inklusive Frankreich – künftig nur noch eine zweitrangige Bedeutung. Gebraucht werden sie nur noch zur Eindämmung von Russland, welches aus amerikanischer Sicht ebenso nur noch als zweitrangiger Gegner angesehen wird. Europa – dabei insbesondere Deutschland – wie auch Südkorea und Japan sind für die USA vornehmlich nur noch Standorte für US-Militärstützpunkte. Als gleichwertige Partner auf Augenhöhen wurden sie in Washington noch nie angesehen – zukünftig noch viel weniger.
Deutsche Solidarität mit Frankreich ist in diesem Fall unangebracht
Den offensichtlichsten Kollateralschaden der Neuordnung des US-Imperiums trägt vor allem Frankreich. Ihm ist nicht nur ein U-Boot-Auftrag mit einem Wert von zuletzt über 50 Milliarden Euro verloren gegangen, sondern auch Australien als gewichtiger Partner seiner Indo-Pazifik-Strategie. Für die sich selbst als Weltmacht sehenden Franzosen ist das ein herber Schlag.
Aus deutscher Sicht ist jedoch in dieser Sache Solidarität mit Frankreich unangebracht. Bei der Vergabe des U-Boot-Auftrags im Jahr 2016 hatte sich die französische Naval-Group gegen die ThyssenKrupp-Werft durchsetzen können, obwohl das deutsche Angebot weitaus besser war. Die dieselelektrischen U-Booten aus Deutschland waren technisch ausgereifter, billiger und schneller verfügbar. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass das französische Staatsunternehmen den Auftrag vor allem den Diensten von Frankreichs Auslandsgeheimdienst DGSE und/oder politischer Einflussnahme durch die französische Regierung zu verdanken hat.
Es wäre auch bei weitem nicht das erste Mal, dass Frankreich sich einen Auslandsauftrag durch Spionage gegen ein deutsches Unternehmen verschaffte. Erinnert sei hier an die Lieferung von Hochgeschwindigkeitszügen an Südkorea im Jahr 1993. Der französische Auslandsgeheimdienst hatte damals die Kostenkalkulation von Siemens ausspioniert und damit der französischen Alcatel-Alsthom ermöglicht, das deutsche Angebot zu unterbieten.[1]Vgl. einen Bericht des Europäischen Parlaments über das Abhörsystem Echolon vom 11. Juli 2001, https://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?type=REPORT&reference=A5-2001-0264&language=DE
Anmerkungen
1 | Vgl. einen Bericht des Europäischen Parlaments über das Abhörsystem Echolon vom 11. Juli 2001, https://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?type=REPORT&reference=A5-2001-0264&language=DE |
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