
Am 21. April 2021 veröffentlichten die Zeitschrift Valeurs actuelles einen offenen Brief von 19 Generälen der französischen Streitkräfte, mit dem sie den Präsidenten, die Regierung und das Parlament vor einem drohenden Bürgerkrieg in Frankreich warnen wollen. Ein gewisser Antirassismus habe das Ziel, die Gesellschaft zu spalten, wodurch Frankreich Gefahr läuft, in einen Rassenkrieg zu geraten, so die Generäle. Durch den zunehmenden Islamismus und die „Horden aus den Vorstädten“ sind in Frankreich Gebiete entstanden, in denen Dogmen regieren, die nicht im Einklang mit der französischen Verfassung sind und die Gesetze der Republik nicht gelten. Die Regierung müsse daher nun handeln, um einen Bürgerkrieg zu verhindern. Ansonsten, so der offene Brief wörtlich, wäre ein „Eingreifen unserer aktiven Kameraden (…) zum Schutz unserer zivilisatorischen Werte und zum Schutz unserer Landsleute auf dem nationalen Territorium“ nötig.
Letzteres verstand die politische Elite Frankreichs wohl nicht zu unrecht als Drohung mit einem Staatsstreich. Dafür spricht auch das Datum, dass die Unterzeichner für die Veröffentlichung ihres offenen Briefes gewählt hatten. Auf den Tag genau 60 Jahre zuvor hatte die Organisation de l’armée secrète (OAS) einen letztlich gescheiterten Staatsstreich begonnen, durch den das Verbleiben Algeriens im französischen Mutterland erreicht werden sollte.
Die sichtlich verängstige Staatsführung reagierte mit Verzögerung. Die Verteidigungsministerin Florence Parly forderte am 26. April Sanktionen, worauf der Stabschef der französischen Streitkräfte, General François Lecointre, schließlich am 28. April bekannt gab, dass Disziplinarmaßnahmen gegen die 19 unterzeichnenden Generäle eingeleitet werden, ebenso gegen die aktiven Soldaten unter den hundert hochrangigen Offizieren und über Tausend weiteren Soldaten, welche sich dem offenen Brief angeschlossen hatten. Die Reservisten (2S) unter den unterzeichnenden Generälen wurden in den sofortigen Ruhestand versetzt.
Ende April zeigte sich, dass die Generäle mit ihrer Warnung den Nerv der Franzosen getroffen hatten. Sowohl in der Armee, als auch im Volk wuchs die Zustimmung zu dem offenen Brief von Tag zu Tag. Nach einer repräsentativen Umfrage, die vom Fernsehsender LCI in Auftrag gegeben wurde, unterstützen 58 Prozent der Franzosen den offenen Brief der Generäle.
Die harsche Reaktion von Regierung und Streitkräfteführung veranlasste eine Gruppe von jungen aktiven Soldaten, die nach eigenen Angaben alle über Fronterfahrung in Afghanistan, Mali, der Zentralafrikanischen Republik und anderen Krisenregionen verfügen, einen weiteren offenen Brief zu veröffentlichen, diesmal anonym. Darin solidarisieren sie sich mit den Generälen, die vor einem Bürgerkrieg warnen, verurteilen den zunehmenden Hass auf Frankreich und seine Geschichte und fordern Regierung und Streitkräfteführung auf, sich für das Überleben Frankreichs einzusetzen. Der ebenfalls in der Zeitschrift Valeurs actuelles veröffentlichte offene Brief wurde dort bislang von rund 300.000 Lesern unterzeichnet.
Während sich Präsident Macron in dieser Angelegenheit auffallend zurückhält, versucht Wirtschaftsminister Bruno Le Maire, die Soldaten, welche die offenen Briefe unterstützen, als rechtsextreme Minderheit hinzustellen, indem er sagt: „Unsere Armee, das sind junge Männer und Frauen von 22 Jahren, die ihr Leben riskieren. Sie verteidigen unser Land mit der Waffe in der Hand gegen den Islamismus. Diese Armee liebe ich und bringe ihr all meinen Respekt entgegen. Aber sicherlich nicht einer Handvoll Militärs, die sich hinter der Anonymität verstecken, um unter diesem Schutz die Rhetorik des Rechtsextremismus zu verbreiten.“ Ausgehend von der repräsentativen Umfrage von LCI, wonach 58 Prozent der Franzosen dem Anliegen des offenen Briefes der Generäle zustimmen, läßt sich vermuten, dass die Zustimmung unter den französischen Soldaten noch weit höher ist. Dies dürfte auch für den zweiten offenen Brief gelten.
Zustimmung erhalten die Soldaten in der Politik einzig von Marine Le Pen und deren Rassemblement National. Sollte sie 2022 zur französischen Präsidentin gewählt werden, dann werden der Warnung der 19 Generäle sicherlich bald politische Maßnahmen zur Eindämmung des Islamismus und der „Horden aus den Vorstädten“ folgen. Von Präsident Macron und seiner Regierung ist dies trotz aller Rhetorik nicht zu erwarten. Seinem vor einigen Monaten groß proklamierten Kampf gegen den Separatismus in den Vorstädten sind bislang keine wirksamen Taten gefolgt. Sollte Marine Le Pen im nächsten Jahr allerdings nicht zur Präsidenten gewählt werden, dann bleibt ihr noch der Weg von Charles De Gaulle. Der gelangte schließlich im Januar 1959 im Zuge eines Staatsstreichs in das Präsidentenamt.
Anhang
Offener Brief von 19 Generälen, veröffentlicht am 21. April 2021 in der Zeitschrift Valeurs actuelles:
Herr Präsident,
Meine Damen und Herren von der Regierung,
Meine Damen und Herren des Parlaments,
Dies ist eine schwere Stunde, Frankreich ist in Gefahr, mehrere tödliche Gefahren bedrohen es. Wir, die wir auch im Ruhestand Soldaten Frankreichs bleiben, können unter den gegenwärtigen Umständen nicht gleichgültig gegenüber dem Schicksal unseres schönen Landes bleiben.
Unsere Trikolore ist nicht nur ein Stück Stoff, sie symbolisiert die Tradition derer, die unabhängig von ihrer Hautfarbe oder ihrem Glauben Frankreich gedient und ihr Leben für Frankreich geopfert haben, über die Jahrhunderte hinweg. Auf diesen Flaggen finden wir die Worte "Honneur et Patrie" in goldenen Buchstaben. Unsere Ehre besteht heute darin, die Desintegration, die unser Land betrifft, anzuprangern.
- Ein Niedergang, der durch einen gewissen Antirassismus nur ein Ziel hat: auf unserem Boden ein Unbehagen, ja Hass zwischen den Gemeinschaften zu schaffen. Heute sprechen einige von Rassismus, Indigenismus und dekolonialen Theorien, aber durch diese Begriffe ist es der Rassenkrieg, den diese hasserfüllten und fanatischen Unterstützer wollen. Sie verachten unser Land, seine Traditionen, seine Kultur, und wollen es auflösen, indem sie seine Vergangenheit und seine Geschichte wegreißen. So greifen sie mit Hilfe von Statuen frühere militärische und zivile Herrlichkeiten an, indem sie jahrhundertealte Worte analysieren.
- Das ist eine Desintegration, die mit dem Islamismus und den Horden aus den Vorstädten dazu führt, dass viele Teile der Nation abgetrennt und in Gebiete verwandelt werden, die Dogmen unterworfen sind, die im Widerspruch zu unserer Verfassung stehen. Aber jeder Franzose, egal ob er gläubig ist oder nicht, ist überall in Frankreich zu Hause; es kann und darf keinen Ort oder Bezirk geben, in dem die Gesetze der Republik nicht gelten.
- Verspätung, weil bei Demonstrationen, bei denen die Macht die Ordnungskräfte als Stellvertreter und Sündenböcke vor den Franzosen in gelben Westen, die ihre Verzweiflung ausdrücken, einsetzt, der Hass Vorrang vor der Brüderlichkeit hat. Dies, während eingeschleuste und vermummte Personen Geschäfte plündern und eben diese Ordnungskräfte bedrohen. Doch diese wenden nur die - manchmal widersprüchlichen - Richtlinien an, die von Ihnen, den Herrschenden, vorgegeben werden.
Die Gefahren wachsen, die Gewalt nimmt von Tag zu Tag zu. Wer hätte vor zehn Jahren vorausgesagt, dass ein Lehrer eines Tages vor seiner Schule enthauptet werden würde? Nun können wir, die Diener der Nation, die schon immer bereit waren, ihre Haut auf die Probe zu stellen - wie es unser militärischer Status verlangte -, keine passiven Zuschauer solcher Aktionen sein.
Deshalb müssen diejenigen, die unser Land führen, unbedingt den nötigen Mut aufbringen, diese Gefahren zu beseitigen. Hierfür reicht es oft aus, die bereits bestehenden Gesetze ohne Schwachstellen anzuwenden. Vergessen Sie nicht, dass eine große Mehrheit unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger wie wir die Nase voll hat von Ihrem zaudernden und schuldbewussten Schweigen.
Wie Kardinal Mercier, Primas von Belgien, sagte: "Wenn die Klugheit überall ist, ist der Mut nirgends." Also, meine Damen und Herren, genug Zaudern, die Stunde ist ernst, die Arbeit ist kolossal; verschwenden Sie keine Zeit und wissen Sie, dass wir bereit sind, die Politik zu unterstützen, die den Schutz der Nation berücksichtigt.
Andererseits, wenn nichts unternommen wird, wird sich die Laxheit in der Gesellschaft unaufhaltsam weiter ausbreiten, was letztendlich zu einer Explosion und zum Eingreifen unserer aktiven Kameraden in einer gefährlichen Mission zum Schutz unserer zivilisatorischen Werte und zum Schutz unserer Landsleute auf dem nationalen Territorium führen wird.
Wir sehen es, es ist keine Zeit mehr zu zögern, sonst wird morgen der Bürgerkrieg diesem wachsenden Chaos ein Ende setzen, und die Toten, für die Sie verantwortlich sein werden, werden zu Tausenden gezählt werden.
Die unterzeichnenden Generäle:
Generalleutnant (ER) Christian PIQUEMAL (Fremdenlegion), Generalleutnant (2S) Gilles BARRIE (Infanterie), Generalmajor (2S) François GAUBERT ehemaliger Militärgouverneur von Lille, Generalmajor (2S) Emmanuel de RICHOUFFTZ (Infanterie), Divisionsgeneral (2S) Michel JOSLIN DE NORAY (Troupes de Marine), Brigadegeneral (2S) André COUSTOU (Infanterie), Brigadegeneral (2S) Philippe DESROUSSEAUX de MEDRANO (Zug), Luft-Brigadegeneral (2S) Antoine MARTINEZ (Luftwaffe), Luft-Brigadegeneral (2S) Daniel GROSMAIRE (Luftwaffe) Brigadegeneral (2S) Robert JEANNEROD (Kavallerie), Brigadegeneral (2S) Pierre Dominique AIGUEPERSE (Infanterie), Brigadegeneral (2S) Roland DUBOIS (Signalwesen), Brigadegeneral (2S) Dominique DELAWARDE (Infanterie), Brigadegeneral (2S) Jean Claude GROLIER (Artillerie), Brigadegeneral (2S) Norbert de CACQUERAY (Direction Générale de l'Armement), Brigadegeneral (2S) Roger PRIGENT (ALAT), Brigadegeneral (2S) Alfred LEBRETON (CAT), Sanitätsoffizier (2S) Guy DURAND (Service de Santé des Armées), Konteradmiral (2S) Gérard BALASTRE (Marine Nationale)
Offener Brief von anonymen jungen Frontsoldaten, veröffentlicht am 9. Mai 2021 in der Zeitschrift Valeurs actuelles:
Herr Präsident der Republik,
Sehr geehrte Damen und Herren Minister, Parlamentarier, Generaloffiziere, in Ihren Rängen und Funktionen,
Die siebte Strophe der Marseillaise, bekannt als "Kinderstrophe", wird nicht mehr gesungen. Sie ist jedoch reich an Lektionen. Überlassen wir es ihr, uns mit ihnen zu überschütten:
"Wir werden den Steinbruch betreten, wenn unsere Ältesten nicht mehr da sind. Wir werden ihren Staub und die Spur ihrer Tugenden finden. Viel weniger neidisch, sie zu überleben, als ihren Sarg zu teilen, werden wir den erhabenen Stolz haben, sie zu rächen oder ihnen zu folgen."
Unsere Ältesten sind Kämpfer, die unseren Respekt verdient haben. Das sind zum Beispiel die alten Soldaten, deren Ehre Sie in den letzten Wochen mit Füßen getreten haben. Das sind die Tausenden von Dienern Frankreichs, Unterzeichner einer Tribüne des gesunden Menschenverstands, Soldaten, die ihre besten Jahre gegeben haben, um unsere Freiheit zu verteidigen, die Ihren Befehlen gehorcht haben, um Ihre Kriege zu führen oder Ihre Haushaltsbeschränkungen umzusetzen, die Sie besudelt haben, während das französische Volk sie unterstützt hat.
Diese Leute, die gegen alle Feinde Frankreichs gekämpft haben, haben Sie als faktisch bezeichnet, wenn ihr einziger Fehler darin besteht, ihr Land zu lieben und seinen sichtbaren Niedergang zu beklagen.
Unter diesen Bedingungen ist es an uns, die wir neu in die Karriere eingestiegen sind, die Arena zu betreten, um einfach die Ehre zu haben, die Wahrheit zu sagen.
Wir gehören zu dem, was die Zeitungen "die Feuergeneration" genannt haben. Männer und Frauen, aktive Militärangehörige aller Dienstgrade, aller Sensibilitäten, wir lieben unser Land. Dies ist unser einziger Anspruch auf Ruhm. Und wenn wir uns per Gesetz nicht offen äußern können, ist es für uns ebenso unmöglich, zu schweigen.
In Afghanistan, Mali, der Zentralafrikanischen Republik und anderswo sind einige von uns unter feindliches Feuer geraten. Einige haben Kameraden verloren. Sie haben ihre Haut angeboten, um den Islamismus zu zerstören, dem Sie auf unserem Boden Zugeständnisse machen.
Fast alle von uns haben Operation Sentinel gesehen. Wir sahen mit eigenen Augen die verlassenen Vorstädte, die Unterkünfte mit Kriminalität. Wir haben die Versuche ertragen, mehrere Religionsgemeinschaften auszunutzen, für die Frankreich nichts bedeutet - nichts als ein Objekt des Sarkasmus, der Verachtung und sogar des Hasses.
Wir marschierten am 14. Juli. Und dieser wohlwollenden und vielfältigen Menge, die uns zujubelte, weil wir ihre Emanation sind, wurde monatelang Misstrauen entgegengebracht, indem man uns verbot, in Uniform herumzulaufen, indem man uns zu potentiellen Opfern machte, auf einem Boden, den wir dennoch zu verteidigen vermögen.
Ja, unsere Ältesten haben mit dem Inhalt ihres Textes in seiner Gesamtheit recht. Wir sehen Gewalt in unseren Städten und Dörfern. Wir sehen, wie sich der Kommunitarismus in der öffentlichen Arena, in der öffentlichen Debatte durchsetzt. Wir sehen, wie der Hass auf Frankreich und seine Geschichte zur Norm wird.
Sie mögen argumentieren, dass es nicht Aufgabe des Militärs ist, dies zu sagen. Im Gegenteil: Weil wir die Situation unpolitisch einschätzen, geben wir ein professionelles Statement ab. Denn wir haben diesen Rückgang in vielen Krisenländern gesehen. Sie geht dem Zusammenbruch voraus. Sie kündigt Chaos und Gewalt an, und im Gegensatz zu dem, was Sie hier und da sagen, wird dieses Chaos und diese Gewalt nicht von einer "militärischen Aussprache“ (pronunciamento militaire) kommen, sondern von einem zivilen Aufstand.
Um über die Form des Forums unserer Ältesten zu streiten, anstatt die Beweise ihrer Erkenntnisse anzuerkennen, müssen Sie ein Feigling sein. Um sich auf eine falsch interpretierte Pflicht zur Zurückhaltung zu berufen, um die französischen Bürger zum Schweigen zu bringen, muss man schon sehr hinterlistig sein. Man muss schon ziemlich pervers sein, um die hohen Offiziere der Armee zu ermutigen, Stellung zu beziehen und sich zu exponieren, um sie dann wütend zu sanktionieren, sobald sie etwas anderes als Kampfberichte schreiben.
Feigheit, Betrug, Perversion: Das ist nicht unsere Vision von der Hierarchie.
Die Armee ist im Gegenteil der Ort, an dem wir die Wahrheit sagen, weil wir unser Leben einsetzen. Es ist dieses Vertrauen in die militärische Institution, das wir einfordern.
Ja, wenn ein Bürgerkrieg ausbricht, wird die Armee auf eigenem Boden die Ordnung aufrechterhalten, weil sie dazu aufgefordert wird. Das ist die eigentliche Definition eines Bürgerkriegs. Niemand kann eine so schreckliche Situation wollen, unsere Ältesten genauso wenig wie wir, aber ja, wieder einmal braut sich in Frankreich ein Bürgerkrieg zusammen und Sie wissen es.
Der Alarmschrei unserer Ältesten hallt endlich auch in weiter entfernten Orten wider. Unsere Ältesten sind die Widerstandskämpfer von 1940, die von Leuten wie Ihnen oft als faktisch bezeichnet wurden und die weiterkämpften, während die Legalisten, von Angst überwältigt, bereits Zugeständnisse an das Böse machten, um den Schaden zu begrenzen; sie sind die Soldaten des Ersten Weltkriegs, die für ein paar Meter Land starben, während Sie, ohne zu reagieren, ganze Landstriche unseres Landes dem Recht des Stärkeren überlassen; sie sind alle Toten, berühmte oder anonyme, die an der Front oder nach einem Leben im Dienst gefallen sind.
All unsere Ältesten, diejenigen, die unser Land zu dem gemacht haben, was es ist, die sein Territorium gestaltet, seine Kultur verteidigt, Befehle in seiner Sprache gegeben oder empfangen haben, haben sie dafür gekämpft, dass Sie Frankreich zu einem gescheiterten Staat werden lassen, der seine immer offensichtlicher werdende königliche Impotenz durch eine brutale Tyrannei gegen diejenigen seiner Diener ersetzt, die ihn noch warnen wollen?
Werden Sie aktiv, meine Damen und Herren. Diesmal geht es nicht um Emotionen auf Kommando, um vorgefertigte Formeln oder um Medienberichterstattung. Es geht nicht darum, Ihre Mandate zu verlängern oder neue zu gewinnen. Es geht um das Überleben unseres Landes, Ihres Landes.